Das Kaninchen vor der Schlange
In ihrem lesenswerten Beitrag - The Long View -, in der Financial Times vom 20./21. Januar 2024, beschreibt die Autorin Katie Martin die beispiellose Fixierung der Finanzmärkte auf die Notenbanken bzw. deren Zinspolitik.
Aktuell überbieten sich Ökonomen mit allerlei Szenarien, wie sich die kurz- und langfristigen Zinsen in den nächsten Quartalen verändern werden. Je nach Lesart der jeweiligen Theorie fällt dann die Entwicklung der Aktienmärkte aus. Einfach ausgedrückt ist das Rezept das folgende: Sinken die Zinsen, steigt die Attraktivität der Aktien, bleiben die Zinsen gleich oder steigen leicht, gleiten die Aktien ins Minus - im Fachjargon: eine perfekt negative Korrelation zwischen Aktien und Zinsen.
Wer dem Marktkonsens für 2024 glaubt, setzt auf einen baldigen Zinsabschwung - als Beispiel die Voraussage der UBS, welche eine Zinsänderung von mindestens -1.25 % bei den kurzfristigen US-Zinsen (Fed Fund Rates) errechnet - und sollte somit Aktienanlagen übergewichten.
Für Schweizer Anleger, für die die Zinsen nominal (1.75 % p.a.) und real (0.05 %) weit weniger verlockend sind als in den USA (nominal 5.5 % p.a.) und Europa (4.5 % p.a.), gesellt sich zur Frage der taktischen Anlagezuteilung "Sicherheit vs. Wachstum" zusätzlich die Herausforderung der Sinnhaftigkeit einer langfristigen Kapitalbindung. Das vermeintliche Heil, sprich die Mehrrendite, sucht man derweil in illiquiden Anlagen (Private Equity/Private Debt) und in Anleihen von minderer Bonität, ggf. auch in Kryptoanlagen in der Hoffnung: Alles kommt gut.
Aktuell an den Börsen fast ausgeblendet scheinen die quantitativ wichtigsten Faktoren bei Firmen. Es sind dies die Ertragszahlen z.B. EBIT, ROA und künftigen Erfolgsaussichten, Cash-Flow, Marktdominanz, Auftragseingänge, Forschung und Entwicklung, Management usw. Umso fixierter schaut man auf die Zinsen und versucht Aufsätze von Notenbankern - was genau steht zwischen den Zeilen? - zu ergründen. Eine Art modernes Kaffeesatzlesen... Es stellt sich somit die Frage: Abwarten, wie das der Titel vorgibt: Wie das Kaninchen vor der Schlange und sobald sich die Zinsen ändern, reagieren. Oder eine liquide Alternative suchen, bei der zwar nicht viel zu gewinnen, dafür aber auch wenig zu verlieren ist.
Mir scheint ein Vabanque Einsatz von Kundengeldern auf entweder "Rot" oder "Schwarz" wenig zielführend. Warum sich nicht mit einer Direktanlage in Obligationen, Laufzeit maximal 5 Jahre, zufriedengeben und dabei darauf achten, dass ein tiefer (zu versteuernder) Coupon gepaart mit einem Preis unter pari (mit steuerfreiem Kapitalgewinn bei Fälligkeit) eine moderate, aber gesicherte Rendite für die nächsten Jahre zahlt? Bei den Aktien - die gemäss persönlichem Risikoprofil zu gewichten sind - sind Unternehmen mit einer wiederkehrenden Dividenden von >3 % p.a. interessant. Es gilt im aktuellen Anlagumfeld: einfach, transparent, liquide und kostenoptimiert. So werden Fehler vermieden und in unsicheren Zeiten (die uns bevorstehen) nachhaltige Resultate erzielt und ja, auch ein nicht gerade Nerven schonendes "Up and down" bei der Performance vermieden.
Das Sprichtwort von Konfuzius: "Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten", scheint zur Zeit mehr denn je Gültigkeit zu haben.
Marcus H. Bühler
Partner und Verwaltungsratspräsident
Weissenstein & Partner
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