Der Blick vom Weissenstein
Einer unserer Genuss-Autoren bemüht just den auf den ersten Blick vielleicht befremdlichen Vergleich zwischen Corona und Ereignissen wie Fukushima oder Tschernobyl, um zu einem klaren Verdikt bezüglich menschlicher Lernfähigkeit zu kommen. Der andere bewegt sich da schon näher am Motto und empfiehlt, mehr zu geniessen und ein gutes Glas Wein zu trinken, aber auch dankbar zu sein für das, was wir in der Schweiz haben.
Lieber Josef, vielen Dank, dass Du Dich für dieses Gespräch zur Verfügung stellst.
Wie geht es Dir?
Mir geht es sehr gut, bin gesund, mein privates Umfeld ist perfekt, und ich habe Freude an meinem Beruf.
Wie hat sich Dein Alltag verändert?
Corona hat mir aufgezeigt, dass es auch was anderes als nur arbeiten gibt. Ganz konkret: Ich war nur 7 anstatt 14 Stunden vor Ort. Nachmittags habe ich die Bestellungen meiner Kunden persönlich ausgeliefert, was sehr geschätzt wurde. Aus meiner Sicht waren die Leute in dieser speziellen Zeit bei weitem nicht so gestresst. So wurden auch die verkürzten Ladenöffnungszeiten sehr gut akzeptiert. Jene Kunden, die im Laden vorbeikamen, strahlten viel mehr Ruhe und Gelassenheit aus. Schön finde ich auch, dass in dieser Zeit die gemeinsamen Momente zu Hause genossen und mit einem guten Glas Wein untermalt wurden. Seit einigen Tagen herrscht wieder Alltag bzw. Normalbetrieb. Mit dem Fazit, dass eine gewisse Anspannung und Zeitdruck wieder spürbar sind.
Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt? Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?
Corona hat mir privat sehr gut getan. Auch meine Lebenspartnerin hat sich über mehr gemeinsame Zeit gefreut. Von der Kundenseite gab es viele Anfragen, ob sie mir irgendwie helfen könnten, da viele meinten, dass mein Geschäft nicht laufe in dieser Zeit, was ich sehr geschätzt habe, auch wenn es nicht notwendig war, davon Gebrauch zu machen.
Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona? Gibt es für Dich auch positive Aspekte der Krise?
Ich kann für mich nur Positives berichten. Die Kunden waren zufrieden, dass man ihnen die Bestellungen nach Hause lieferte. Die Kunden, die in den Laden kamen, freuten sich, dass ich trotz Covid offen hatte. Ich arbeitete weniger und konnte so "nebenbei" noch 4'000 Km mit meinem Rennvelo absolvieren. Das Rennvelofahren ist ja, neben dem Wein, meine zweite grosse Leidenschaft. Jetzt bin ich fit, auch wenn es keine Rennen gibt in nächster Zeit. Und trotz dem Wegbrechen der Gastronomie-Kunden, mein Umsatz war mehr als nur in Ordnung. Kurzum: Für mich persönlich gab es eigentlich nur Positives. Hatte keine kranken Personen im näheren Umfeld, und zum grossen Glück kenne ich auch niemanden, der an Corona verstorben ist.
Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?
Wieder ein wenig gelassener zu werden und nicht immer nur mehr zu wollen..
Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?
Mehr geniessen, ein gutes Glas Wein trinken und daran denken, wie schön wir es eigentlich hier in der Schweiz haben.
Zum Autor:
Josef Pargfrieder bezeichnet sich als Entdecker, immer auf der Suche nach dem Besonderen. Er liebt, sowohl beim Wein und beim Menschen: Charakter, Struktur und Gehaltvolles. Als Meilleur Sommelier de Suisse 1999/2000 und Sommelier des Jahres 2002 Gault Millaut gilt er als einer der Weinexperten der Schweiz. Sein vinologisches Vorgehen beschreibt er so: "Wir reden kurz miteinander, und dann weiss ich, welchen Wein diese Person gerne trinkt, in welcher Stimmung sie sich befindet, ja sogar, was sie bereit ist, für eine Flasche auszugeben. Das ist eine Art Intuition, die ich niemandem beibringen kann."
Lieber René, vielen Dank, dass Du Dich für dieses Gespräch zur Verfügung stellst.
Wie geht es Dir?
Ich bin dankbar, dass es mir gut geht.
Wie hat sich Dein Alltag verändert?
Für mich als selbständig erwerbender Inhaber eines Tabakladens mit zwei Mitarbeiterinnen hat sich nicht viel verändert. Die Massnahmen für das Tabak-Lädeli bedeuteten: die Mitarbeiterinnen waren in Kurzarbeit, den Rest erledigte der Inhaber. Es war für mich schlicht unzumutbar, den Mitarbeiterinnen zu kündigen. Beide sind Vertrauenspersonen, die seit 12 bzw. über 20 Jahren mit mir zusammen den Laden schmeissen.
In dieser aussergewöhnlichen Zeit war es für mich selbstverständlich, dass der Chef persönlich die täglichen bzw. wöchentlichen Arbeiten zum Wohl der extrem treuen Kundschaft bewältigt.
Es machte Spass, den Versand von A-Z wieder einmal selbst in die Hand zu nehmen. D.h. von der sorgfältigen Selektion der Ware, bis das Päckli mit Packpapier inkl. Versandtasche mit der Faktur vor einem liegt und darauf wartet, auf die Post zu kommen. Natürlich verschicke ich nur per A-Post, vor 16:00h, damit es der Empfänger bereits am folgenden Tag in Händen halten konnte.
Zeitkritisch war nur, dass die Pakete vor 16.00h bei der Post sein mussten, ansonsten hatte ich keinen Stress. Ob ich eine Stunde früher oder später im Geschäft bin, spielt keine Rolle. Meine Sheltie (Shetland Sheepdog) Hündin "Fairy" freute das unheimlich, eine Zusatzrunde mit ihr lag somit immer drin.
Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt? Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?
Die Zeit, die ich am Handy verbringe, ist wirklich grenzwertig geworden.
Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona?
Es darf, es kann, es muss auch mal anders laufen.
Gibt es für Dich auch positive Aspekt der Krise?
Mein Dank geht an unser Sozialsystem, dass ich 80% der Löhne zurückerhalte. Und Danke auch an meine Vermieterin, dass wir über den Mietzins reden können.
Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?
Es ist wirklich zu wünschen, dass wir alle etwas daraus lernen. Als Beispiele:
1957 Sellafield, Grossbritannien
1979 Three Mile Island, Pennsylvania
1986 Tschernobyl, Sowjetunion
2011 Fukushima, Japan
Haben wir aus diesen Atomkatastrophen etwas gelernt? Die Antwort lautet: nein, nicht wirklich. Ich empfinde die Möglichkeit eines Atomunfalls als viel bedrohlicher als Corona. Wenn ich an den ganzen Atommüll denke, dann kann das für uns in Zukunft echt bedrohlich sein. Das ärgert mich und macht mir auch wirklich Sorgen.
Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?
Mehr Anstand, mehr Toleranz, weniger Neid.
Zum Autor:
René Wagner ist zusammen mit seiner Frau Rahel Eigentümer des Tabak-Lädelis an der Storchengasse in Zürich, das 1974 von der Familie Wagner übernommen wurde. Das Geschäft spezialisiert sich auf Cigarren, Pfeifen und Raucher-Accessoires und bedient Kunden weltweit.
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