Bankaktien - zugreifen oder Hände weg?

 

Es war einmal vor langer Zeit, da gab es in der Schweiz fünf Grossbanken (SBV, SBG, SKA, SVB und Bank Leu). Damals waren Banken angesehen und der Berufsstand ehrenwert. Nicht dass in jener Zeit alles Gold war, was glänzte. Aber Skandale, wie das legendäre Chiasso Fiasko der Kreditanstalt, waren die Ausnahme von der Regel. Die Wertschätzung gegenüber der Branche zeigte sich auch anderweitig. So gehörte es zum Standard, dass in den Wertschriftenportfolios der Privatkunden nebst den Standardwerten Nestlé, Hoffmann La Roche oder Ciba Geigy auch eine Bank beigemischt wurde. Vorzugsweise deponierte jede Bank ihren Kunden die eigenen Aktien, was aber durchaus in Ordnung war, denn die Kundschaft war eben dieser Bankgesellschaft oder Kreditanstalt durchaus wohlgeneigt und auch die Dividenden flossen grosszügig.

25 Jahre und viele Desaster später könnte das Ansehen der Banken nicht schlechter sein, und zwar nicht nur in der Schweiz. Die Deutsche Bank ist ein Schatten ihrer selbst, in England beschert die einst stolze Royal Bank of Scotland dem Staat 10 Jahre nach der Rettung immer noch Bauchschmerzen und hierzulande sind zwei Bankenkolosse übrig geblieben, die für die Aktionäre ein rotes Tuch und an Prestige kaum noch zu unterbieten sind.

Grund genug also für den Opportunisten, genauer hinzusehen, ob hier die schlechte Laune nicht zu Unrecht überhand genommen hat.

 

20 Jahre in Banken investiert - was bleibt übrig?

 

 

Der Blick zurück offenbart drei wesentliche Erkenntnisse:

 

1) Bank ist nicht gleich Bank.

2) Auch mit Banken lässt sich langfristig Geld verdienen.

3) Dividends matter!

 

Zum ersten Punkt. Obwohl die getätigte Auswahl rein willkürlich ist, fällt die riesige Diskrepanz zwischen der schlechtesten und besten Bank auf. Mit J.P. Morgan liess sich über 20 Jahre immerhin ein Kursgewinn von 58% in Schweizer Franken erzielen, im gleichen Zeitraum verdampfte eine Investition in die Deutsche Bank um fast 90%. Ähnlich unangenehm präsentiert sich die Credit Suisse (nicht in der Grafik abgebildet) - hier blieben noch 20% des ursprünglichen Investments übrig.

Die Punkte 2 und 3 gehen Hand in Hand. Banken, die erfolgreich geschäften, zahlen auch anständige und vorallem regelmässige Dividenden. In der Tat war die Ausschüttungsrendite in früheren Zeiten immer eines der zentralen Argumente für den Besitz von Bankwerten. Der Blick auf die Beispiele J.P. Morgan und HSBC zeigt die mächtige Wirkung der Dividendenkomponente. Während HSBC dem Aktionär im Beobachtungszeitraum einen Kursverlust von 5% bescherte, resultierte unter Berücksichtigung der Dividenden eine Gesamtperformance von 140%, rsp. 4.5% p.a. Bei JPM summierten sich Kurszuwachs und Ausschüttung zu einem stattlichen Gewinn von 179% (5.3% p.a.) - damit wurde auch die Messlatte des MSCI World Index weit übertroffen (+116%, rsp. 3.4% p.a.).

 

Das Drama der europäischen Banken 2007 - 2018

 

 

Die unterschiedliche Erholung der Finanzwerte in Amerika gegenüber Europa ist eklatant. Nach dem verheerenden Absturz in den Jahren 2007-2009 starteten die amerikanischen Geldhäuser ab 2011 ihre fulminante Erholung und erreichen heute immerhin wieder das Vorkrisen Niveau (gemessen in CHF und inkl. Dividenden). In Europa hingegen ist die Branche in eine gefühlte Dauerdepression verfallen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?

 

1.  Amerikas Banken wurden schneller und entscheidender rekapitalisiert.

2. Die grossen US Institute sind noch mächtiger als vor der Krise.

3. Der europäische Bankensektor wurde durch die EUR Krise nachhaltig zurückgeworfen.

4. Starke Fragmentierung des Marktes in Europa.

5. Zinswende in Amerika gegenüber anhaltendem Negativzinsumfeld in Europa.

6. Die Schweizer Banken wurden von der Steuerproblematik zurückgeworfen und leiden unter einem im Vergleich mit den Amerikanern schwächlichen Investment Banking.

 

Folglich stellt sich die Frage, ob eine reelle Möglichkeit besteht, dass die Europäer zumindest einen Teil des Rückstandes aufholen können. Die Antwort dazu ist ein entschiedenes Jein.

 

1. Das Branchenumfeld wird sich in den nächsten Jahren drastisch verändern. M&A Aktivitäten werden zunehmen und die Banken an Effizienz zulegen. Jüngste Gerüchte deuten darauf hin, dass auch grössere Transaktionen im Raum stehen. (Société Générale/Unicredit und Deutsche Bank/Commerzbank)

2. Die Tage der Negativzinsen sind in Europa gezählt. Selbst eine leichte Normalisierung der kurzfristigen Zinsen beeinflusst die Gewinne der Banken positiv .

3. Das Wachstum in Europa stützt die Qualität der Kreditportfolios, d.h. geringerer Abschreibungsbedarf.

4. Risikomanagement: am Beispiel von UBS und CS ist ersichtlich, dass selbst Grossrisiken wie Italien ein potentielles, aber überschaubares Problem sind.

5. Aus Schweizer Sicht besonders interessant ist das stetige Wachstum des globalen Vermögensverwaltungsgeschäfts. Gemäss einer Studie von EY wachsen weltweit die verwalteten Vermögen im Zeitraum von 2016 - 2021 von 54.4 auf 69.6 Billionen USD, d.h. 4.7% p.a. Wer an diesem Wachstum teilhaben will, braucht globale Präsenz und ein starkes Branding. Beides gilt sowohl für UBS als auch Credit Suisse, rsp. Julius Bär.

 

Was spricht dafür, dass sich die Europäer nicht mehr erholen?

 

1. Grossfusionen im Bankensektor enden selten gut. Konsolidierung auf der Ebene von Instituten wie Deutsche Bank oder SocGen verschärft zudem noch das Problem des "Too big to fail".

2. Der Konjunkturzyklus ist auch in Europa fortgeschritten. Die Banken haben 10 Jahre lang schlecht gewirtschaftet. Warum sollte sich das ändern, wenn wieder schwierigere Zeiten kommen sollten?

3. Italien: wenn es schief geht im Süden, dann wäre das Letzte, was man im Portefeuille haben will, Bankaktien. Dieser Aussage eines befreundeten Fondsmanagers muss man beipflichten.

4. Regulierungsdichte, und daraus abgeleitet ständige Bussenzahlungen für echte und vermeintliche Verfehlungen, belastet die operative Leistungsfähigkeit der Banken.

 

Fazit des Opportunisten?

Die Branche verdient keine Vorschusslorbeeren. Unter der Annahme, dass die Banken dazu übergehen, ihr Geschäft (Kredite vergeben und Vermögen verwalten) seriöser zu betreiben, sollten sich die Zahlen insgesamt normalisieren. Schlecht wäre eine Schuldenkrise in Italien. Die opportunistische Annahme ist, dass es die Eurozone nicht darauf anlegen wird. Schweizer Banken sind gut positioniert, um vom globalen Wachstum im Vermögensverwaltungsgeschäft zu profitieren. Das spricht für Credit Suisse und UBS. Die beiden anderen Vermögensverwalter, Vontobel und Bär , zeigen, dass in diesem Bereich etwas drinliegt. Kurz: wer die Luft (als Anleger) für mindestens drei Jahre anhalten kann, der darf sich ein Engagement überlegen. Als Handlungsalternative bietet sich eine Positionierung via Branchen ETF (mit dem Nachteil unbefriedigender Diversifikation), ergänzt mit einer der einheimischen Grossbanken, an.

 

Christoph Offenhäuser, Partner bei Weissenstein & Partner, kommentiert sporadisch unter der Rubrik der OPPORTUNIST seine Beobachtungen an den Finanzmärkten. Die geäusserten Meinungen sind die eigenen und müssen nicht dem Konsens bei Weissenstein & Partner entsprechen.

 

 

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