Brainfood 1.6.2018
Italien - Der Himmel ist weder blau über dem Land, noch präsentiert sich die Lage sonst rosa. Die Schlagzeilen sind allgegenwärtig: Die Regierungskrise lässt die die Börsen fallen und die Renditen der Staatsanleihen steigen. Ein Blick auf die Charts zeigt uns, dass es zwar im Gebälk beträchtlich knirscht, aber eigentlich noch nicht viel passiert ist. Im Vergleich zur Krise im Jahr 2012 haben die Renditen noch viel Spielraum nach oben und der italienische Aktienmarkt hat mehrheitlich erst seinen Übermut aus den letzten beiden Jahren korrigiert.
Was ist von der Lage zu halten? Letzte Woche hörten wir an einem Roundtable die Meinungen der Ökonomen von J.Bär, Pictet und Credit Suisse. Das Fazit: kein Grund zur Sorge, das legt sich wieder. Zwar werden die Probleme anerkannt, aber es war mit Italien schon immer so und letztendlich wird sich eine politische Blockade übers Land legen, die den Status Quo nicht in Frage stellen wird. Anders sieht es der ehemalige Chefökonom des IWF. In seinem Blog legt er die Risiken einer italienischen Wirtschaftskrise dar. Zur Erinnerung: Italien gehört zu den Ländern mit der höchsten Verschuldung weltweit. 2'300 Milliarden EUR beträgt der Schuldenberg, was einem Verhältnis zum Bruttosozialprodukt von 132% entspricht. Das Fazit sei gewagt: Italien hat die Jahre mit den künstlich tiefen Zinsen nicht nutzen können, um Reformen in Gang zu bringen und die absurde Verschuldung zu reduzieren. In welchem Umfeld das in Zukunft gelingen sollte, erschliesst sich dem skeptischen Beobachter nicht. Das Konstrukt EUR funktioniert nicht, mit Sicherheit nicht für Italien.
Dunkle Wolken - ziehen gemäss dem bekannten Marktkommentator John Mauldin am Horizont auf. In seinem Beitrag erläutert er die Gründe, welche zum Reset im Wirtschaftssystem führen werden. Der Auslöser für die nächste Krise ist der Schuldenberg, der seit der Finanzkrise 2008/09 munter weiter wächst. Dieser wird in nicht zu ferner Zukunft nicht mehr bedient werden können. Hinzu kommt, dass massiv steigende Arbeitslosigkeit aufgrund der durchgehenden Digitalisierung der Wirtschaft populistische Rezepte, d.h. in der Form von nicht finanzierbaren Sozialprogrammen, auf den Plan rufen werden. Kurzum, die Schuldenblase wird irgendwann in den 2020ern platzen und den Weg für eine prosperierende Dekade nach 2030 frei machen. Mit einem Seitenblick auf Italien stellen wir fest, dass Schulden nur so lange keine Rolle spielen, wie die Marktteilnehmer Vertrauen in das System haben. Am Beispiel Griechenlands sehen wir, dass eine zehnjährige Depression keine Utopie ist.
Ein Drink - um die Nerven zu beruhigen, ist nicht die schlechteste Option, wenn es an den Märkten unangenehm wird. Passend dazu berichtet die Financial Times von der boomenden schottischen Whisky Industrie. Im vergangenen Jahr exportierten die Schotten für CHF 5.9 Mrd. Whisky (+ 9% gegenüber 2016). 15 neue Distillerien wurden in den vergangenen fünf Jahren eröffnet, sieben davon im letzten Jahr. Wer Schottland bereist hat weiss, dass Whisky Big Business ist. Kein Wunder also, dass Diageo über die nächsten drei Jahre CHF 200 Mio. in die Besucherzentren ihrer Distillerien investieren will.
Zum Verständnis der Grössenordnungen: die Schweiz exportierte 2017 Käse im Wert von 630 Mio. Franken und Schokolade für CHF 930 Mio.
Gibt es aus Sicht der Anleger Möglichkeiten, von diesem hochprozentigen Boom zu profitieren? Die Antwort ist ja. Diageo (u.a. Johnny Walker, Talisker, Lagavulin), Pernod Ricard (Glenlivet, Chivas), Suntory (Laphroaig, japanische Whiskys) oder Brown Forman (Jack Daniel's, Glendronach) sind Gesellschaften, die grosse Umsatzanteile mit Scotch erzielen und an der Börse gelistet sind. Der blick auf die Kursentwicklung zeigt jedoch, dass auch beim Investieren massvoller Genuss geboten ist. Die Titel sind stattlich bewertet. Empfehlenswert ist jedoch der Besuch bei Ramseyer's Whisky Connection gleich bei uns um die Ecke. Dort gibt es schöne Spezialitäten, die einem trotz der Preise die Freude nicht vergehen lassen.
Kryptowährungen - Um Bitcoin & Co. ist es jüngst ruhiger geworden. Der Preis für die grösste Kryptowährung pendelt um USD 7'000 und erregt die Gemüter kaum noch. Auf einen bemerkenswerten Beitrag des World Economic Forums sind wir im Zusammenhang mit dem Engagement von Frauen in Bitcoins gestossen. Darin wird festgestellt, dass lediglich rund 5% aller Bitcoins im Besitz von Frauen sind (!). Auf der Suche nach Gründen für dieses Phänomen wird zu unserer Überraschung das leidige Thema der fehlenden "Gender Diversity" in den Bereichen Tech, Finance und Fintech bemüht.
Wir finden diese Argumentationslinie ziemlich lahm. Vielleicht ist die Sache viel trivialer. Wie man aus Studien weiss, sind Frauen in der Tendenz die besseren Investoren als Männer. Und warum ist das so? Frauen wählen weniger riskante Strategien, tätigen weniger kostspielige Transaktionen und verzichten auf teure, intransparente Finanzprodukte. Eine Zusammenfassung dazu ist hier nachzulesen. Wir erklären uns deshalb die Abwesenheit der Frauen damit, dass sie möglicherweise inhaltliche Bedenken zu Bitcoin & Co. haben und folglich darauf verzichten zu investieren. Eine Haltung übrigens, die wir weiterhin allen Anlegern empfehlen.
Deutsche Bank - In der Wirtschaftswelt gibt es Dinge, die sind eigentlich kaum zu glauben. Nehmen wir das Beispiel der Deutschen Bank. Wir haben schon einmal vom stetigen Niedergang dieser Institution berichtet. Zwischenzeitlich hat die Bank den CEO ausgewechselt und den Abbau von 7'000 Arbeitsplätzen bekanntgegeben. Zur Beruhigung hat das nicht geführt, im Gegenteil. Diese Woche ist die Aktie auf unter 10 EUR gefallen. Ein neuer Tiefststand . In den Deutschen Medien nimmt man es zähneknirschend zur Kenntnis. Wie dem auch sei, just in diesem Umfeld lesen wir in einem Bericht , dass die Deutsche Bank in London sage und schreibe 110'000 Bewerbungen für ihr Studienabgänger Einsteigerprogramm in der Investmentbank erhalten hat, dies notabene für rund 600 offene Positionen. Gemäss FT rührt das daher, weil die Deutsche Bank "has been one of the most progressive in graduate hiring techniques, using artificial intelligence tools to screen a broad pool of talent for those who are the best emotional and cognitive fit."
Wir sagen dazu nur: dem Unternehmenserfolg hat dieses brilliante Selektionsverfahren von Talenten bisher noch nicht geholfen. Aber vielleicht wird es ja noch.
Fintech - Eine der Hoffnungen des Schweizer Finanzplatzes ruht auf der dynamischen Fintech Abteilung. Meist ausserhalb der traditionellen Bankenwelt entstehen neue Ideen und Angebote, die den Weg zu den Finanzdienstleistungen der Zukunft weisen. Vieles kommt und geht, wenig setzt sich durch. Mit Sicherheit kann man sagen, dass es an Übersichtlichkeit fehlt. Sehr empfehlenswert finden wir deshalb den monatlichen Blog der Finanz und Wirtschaft, der einen Überblick über die Fintech Szene liefert.
Dass die Lage für potentielle Investoren, rsp. Kunden eher konfus ist, zeigt der neue Crowdfunding Monitor des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug: Über 30 zumeist unbekannte Jungunternehmen beschäftigen sich mit Crowdinvesting/Crowdlending. Sie haben letztes Jahr knapp CHF 370 Mio. unter Anlegern vermittelt. Das Wachstum ist respektabel, aber die Marktstruktur nicht nachhaltig. Wer sich hier engagieren will, der sollte vorsichtig ans Werk gehen.
Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.
Comment