Brainfood 24.3.2023

 

Das Undenkbare ist am Schweizer Finanzplatz wahr geworden

 

Eine knappe Woche seit dem Untergang der Credit Suisse ist bei weitem nicht genug Distanz, um die Konsequenzen abzusehen. Ein paar erste Gedanken zu diesem helvetischen Rohrkrepierer sind aus der Sicht eines alten Hasen, der in seiner Kindheit noch die legendäre Kreditanstalt Skimütze erlebte, allerdings nicht zu vermeiden.

Das furiose Finale der CS ist meiner Meinung nach das Schlussbouquet eines Prozesses, der 1997 einsetzte und jetzt mit dem Ende der 167jährigen Bank einen vorläufigen Abschluss fand. Ein Blick zurück:

Vor 26 Jahren entwendete Nachtwächter Christoph Meili Dokumente aus dem Shredder Raum der damaligen SBG. Daraus folgte der Skandal um nachrichtenlose Gelder von Opfern des Holocaust. Die Wogen gingen hoch, wobei der damalige Konzernchef der SBG, Robert Studer, die Auseinandersetzung mit der Bemerkung eskalierte, dass es sich bei der Angelegenheit um Peanuts handelte. Am Ende der Affäre wurden tatsächlich für weniger als 50 Mio. Franken nachrichtenlose Vermögen aufgespürt. Die Folge jedoch war, dass die Grossbanken einen Vergleich über 1.2 Mrd. Dollar mit jüdischen Sammelklägern abschliessen mussten und die Schweizer Banken einen ersten monumentalen Schaden an ihrer edlen Image-Karosserie einsteckten.
Die Hybris des Schweizer Finanzestablishments zeigte erstmals ihr wahres Gesicht. Es sollte zum Markenzeichen werden, im Fall der CS konsequent bis zum Ende durchgezogen.

Ebenfalls im Jahr 1997 fiel der Startschuss zum UBS Fiasko knapp 10 Jahre später. Bankverein und Bankgesellschaft fusionierten und legten unter dem wagemutigen Basler Ospel eine wilde Wachstumsstrategie vor allem im Investmentbanking und in den USA an den Tag. 
Auch in diese Zeit fiel die Ära von Lukas Mühlemann bei der Credit Suisse. Unter seiner Leitung wurde bei der CS wild gefuhrwerkt, das Image einer Cowboy Truppe verstetigte sich in der Branche - die Bank selber nannte das jeweils "wir haben einen höheren Risikoappetit": Im September 1998 musste sie 1.8 Mrd. Franken während der Russland-Krise abschreiben. Zwischen 1999 und 2002 "produzierte die Bank eine unglaubliche Flop-Serie: ein Debakel mit Geldern des Diktators Abacha; Börsen-Skandale in Japan, Indien, Neuseeland und den USA; die Elf-Affäre und schliesslich Verstrickungen in die Enron-Pleite" - so berichtete der Blick über diese Jahre.

Die Nullerjahre waren aber auch das Jahrzehnt des Schwarzgeldes. Hemmungslos gingen Schweizer Banker weltweit auf Akquisitionstour mit dem USP des Schweizer Bankgeheimnisses im Gepäck. Der Erfolg sollte sich rächen, wir kennen die Geschichte. Die UBS kam ins Visier der Amerikaner und schloss einen Vergleich über 780 Millionen Dollar. Die Bank Wegelin ging unter und die CS bezahlte 2014 eine Busse von 2.8 Mrd. Dollar für "kriminelle Aktivitäten" an das US-Justizdepartement.

Während des letzten Jahrzehnts beschäftigte sich Swiss Banking weitgehend mit der Bewältigung des Schwarzgeld Zeitalters. Das Land war eingeknickt, sprichwörtlich im Angesicht der Deutschen Kavallerie, und warf das Bankgeheimnis für Ausländer über Bord. Die Schraube der Regulierung wurde angezogen. Die UBS rappelte sich langsam auf, den inländischen Banken bescherten Negativzinsen einen Honigtopf in der Gestalt eines Hypothekarbooms. Nur diese eine Bank blieb auf Abwegen.

So stehen wir nun also hier vor dem Scherbenhaufen. Die persönliche Befindlichkeit lässt sich auf ein Wort reduzieren: Enttäuschung.
Die Mischung aus Nonchalance und Überheblichkeit während 25 Jahren unter bunter Vielfalt von Führungsspitzen, an denen die öffentliche Empörung über ihre Lohnexzesse abperlte, war toxisch und blieb immer ohne Konsequenzen. Zuletzt nun, unter grossem Druck begleitet von kapitalen Fehlern, hat sich die Schweiz als Finanzplatz in die Regionalliga verabschiedet. Die Regelbrüche in den Stunden des Untergangs sind unverzeihlich und stellen für ausländische Vermögen den Standort Schweiz ernsthaft zur Disposition. Die Aufarbeitung muss folgen. Dabei tun wir als Land gut daran, die Kritik von aussen zu hören.

Als Vermögensverwalter schauen wir nach vorne. Der Finanzplatz wird sich neu sortieren. Hoffentlich tritt nun ein, was immer wieder gesagt wurde: die unabhängigen Vermögensverwalter haben  hervorragende Perspektiven als die ultimativen "Trusted Partner" für Ihre Kundschaft. Frei von Interessenskonflikten, Corporate Governance Problemen und mit ihrem eigenen Kapital im Risiko, was ein Garant für solides Geschäften ist. Neudeutsch unter "Skin in the Game" bekannt.

Christoph Offenhäuser
 

 

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Thomas Kübler

Eine traurige und beschämende Phase des Schweizer Bankings knackig beschrieben. Allein, was ist zu tun, wie können die Anreize besser gesetzt werden? Ich freue mich auf die Fortsetzung, Christoph und bleibe „online“.

Thomas Buri

Hallo Christoph Guter Artikel, hätte mir gewünscht, dass Du die Totengräber der CS noch namentlich erwähnt hättest. Gruss Thomas

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