If it ain't broken, don't fix it
Bei der Schweizer Nationalbank (SNB) steht die Nachfolge des abtretenden Präsidenten, Thomas Jordan, an. Durch diese Neubesetzung gerät die SNB in die Schlagzeilen.
Gleichzeitig wagen sich Kritiker aus der Deckung und fordern (einmal mehr) grundlegende Reformen der Notenbank.
Auftrag der SNB – ein Überblick der gesetzlichen Vorgaben
Den rechtlichen Rahmen für die SNB AG bildet das Nationalbankgesetz (NBG).
Im NBG wird der verfassungsrechtliche Auftrag, die Unabhängigkeit sowie die Rechenschafts-und Informationspflicht gegenüber Bundesrat, Parlament und der Öffentlichkeit beschrieben.
Das Gesetz legitimiert die Bildung von Währungsreserven und die Verwendung der Erträge, nach Rückstellungen, zu Gunsten der schweizerischen Volkswirtschaft. Konkret: die jährlich mögliche Gewinnausschüttung an die Kantone.
Das NBG regelt auch die geld-und währungspolitischen Befugnisse, u.a. das Erstellen von Finanzmarktstatistiken, die Pflicht der Banken zum Halten von Mindestreserven sowie die Überwachung von systemisch relevanten Finanzmarktstrukturen - welche seit 2016 auch im Finfrag verankert sind.
Die klar formulierte Nationalbank Verordnung (NBV) enthält die Ausführungsbestimmungen des NBGs. Richtlinien über die politisch anwendbaren Instrumente, zur Anlagepolitik (zur effektiven Umsetzung des Auftrags) sowie diverse Reglemente und Weisungen beschreiben den vom Gesetz gewährten Handlungsspielraum.
Hauptaufgaben der SNB
- Die Geldpolitik
Die SNB setzt die Geldpolitik fest, um die Preisstabilität zu gewährleisten. Dazu gehört die Festlegung von Zinssätzen und die Verwendung anderer geldpolitischer Instrumente, um die Geldmenge und die Kreditbedingungen zu steuern.
- Devisenmarktinterventionen
Die SNB interveniert auf dem Devisenmarkt, um den Wert des Schweizer Frankens zu steuern. So stabilisiert sie den Wechselkurs, mindert Währungsschwankungen und unterstützt die Exportfähigkeit der Schweizer Wirtschaft.
- Geldversorgung und Banknotenausgabe:
Die SNB verantwortet die Herstellung und Ausgabe von Banknoten und Münzen in der Schweiz. Sie überwacht auch die Bargeldversorgung im Land.
- Finanzstabilität:
Die SNB überwacht Banken, um die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Finanzkrisen (z.B. Bankenkrisen) und zur Sicherung der Finanzstabilität in der Schweiz.
- Anlagestrategie der Devisenreserven:
Die SNB verwaltet umfangreiche Devisenreserven und trifft Entscheidungen über deren Anlage. Sie legt diese Reserven kostengünstig unter Berücksichtigung eines realistischen Ertrags -und Risikoprofils an.
Resultate der Erfolgsrechnung der SNB
Hier die Gewinne und Verluste der letzten fünf Jahre:
2023: - CHF 3,2 Mia., 2022: - CHF 132,5 Mia., 2021: + CHF 26,3 Mia., 2020: + CHF 20,9 Mia.,
2019: + 48,9 CHF Mia.
Kritik an der SNB
Sobald grosse Beträge im Spiel sind, ruft die ‘Macht der grossen Zahl’ viele Meinungsmacher und Besserwisser auf den Plan. Die Bemängelungen sind vielfältig; anwendungsbezogen, personell oder fallspezifisch.
Sachbezogene Kritik
Die einen – vornehmlich Vertreter von finanzschwachen Kantonen – budgetieren automatisch die jährlich erhofften Ausschüttungserträge der SNB (oftmals sogar angereichert mit einem Inflationsausgleichfaktor) als «Zustupf» zur kantonalen Ausgabenpolitik. Oftmals denke ich, ob schlussendlich ein Gewinn oder Verlust entsteht, erscheint ziemlich egal. Das Einkommen durch die SNB-Ausschüttung wird jährlich budgetiert; basta! Und selbstverständlich gemäss Budget ausgegeben. Bleibt der SNB-Obolus aus, schreit man Zeter und Mordio.
Andere (oftmals die Gleichen) verwechseln die Unabhängigkeit der SNB mit einer von ihnen - natürlich nach eigenem Gusto - herbeigesehnten, demokratisch zu legitimierenden Entscheidungs-und Handlungsbeschränkung. Durch die Devisenmarktinterventionen der SNB (Verkauf Schweizer Franken vs. Kauf Fremdwährungen, speziell Euro und US-Dollar) äufnen sich die Devisenreserven, die am Ende des Jahres zum Bilanzstichtag bewertet werden (müssen). Die laufenden Wechselkursrisiken plus die Preisentwicklung der Goldreserven der SNB können Grund für zum Teil massive Kursverluste sein.
Als Erinnerung folgende historischen Devisenkurse: 2004 bezahlten wir CHF 1,55 pro Euro. Und für 1 USD CHF 1.28. 2024 steht das Verhältnis bei 0.98 CHF:1 EUR bzw. 0.90 CHF: 1 USD.
Daraus folgt: Die SNB stemmt sich gegen den Devisenzerfall der schwächelnden Fremdwährungen bzw. im Umkehrschluss pflegt den CHF-Kurs. Dies erlaubt es der Exportwirtschaft zu budgetieren und zu investieren, zwingt aber auch die CH-Unternehmen, stetig zu optimieren. Obwohl es unschön klingt, hier besteht die Wahl zwischen Pest und Cholera. Greift die SNB nicht ein, schwächt das den Export, und die Wirtschaft gerät ins Ungleichgewicht. Greift sie zu stark ein, wird ihr die Manipulation des Währungsmarkts vorgeworfen.
Personelle Kritik
Der Präsident der SNB leitet die Sitzungen der Direktion und vertritt die SNB gegen aussen. Er wird von zwei Direktionsmitgliedern unterstützt. Kritiker monieren, dass eine Institution von dieser Grösse und Wichtigkeit nicht von einem 3er-Gremimum kompetent geführt werden kann. Vergessen wird hier, dass das erweiterte Entscheidungsgremium aus 7 Personen besteht. Kritiker fordern eine Ausweitung der heute schlanken Direktion von 3 auf 7 Mitglieder, um die Argumente und Sichtbarkeit von verschiedensten sozioökonomischen Sichtweisen zu verbreitern. Dies würde jedoch nur die politischen Überlegungen oder ganz konkret die politischen Begehrlichkeiten steigern und somit sowohl den Auftrag wie auch die Unabhängigkeit der SNB angreifbarer machen. Doch wer sagt, dass 7 die ideale Zahl ist und nicht 9 oder 11? Oder gar, je grösser die Zahl der Meinungen, desto besser das Resultat dieser Schwarmintelligenz?
Mehr Frauen im Direktorium und im Bankrat ist eine stetige Forderung. Mit dem Zusatz: Die Gleichberechtigung bzw. Gleichverteilung von Frauen und Männern ist in der Bundesverfassung verankert und am Arbeitsplatz durch das Gleichstellungsgesetzt geregelt. Doch wer hier laut nach mehr Frauen ruft, müsste gleichzeitig auch ehrlich sagen: ‘ Die beste Bewerbung ist mir egal. Hauptsache, es wird eine Frau gewählt!
Fallbeispiel – Causa Credit Suisse
Im Nachgang zur Rettung der Credit Suisse kritisieren Marktbeobachter die ungenügende Zusammenarbeit zwischen der SNB und der FINMA. Etwas gar starken Tobak sind die Unterstellungen, die zwei Institute, SNB und FINMA, schauen lediglich auf ihre Zuständigkeitsbereiche, und niemand trage somit die Gesamtverantwortung, welche für die Finanzstabilität essenziell sei. Doch die Lösungsvorschläge sind meist nebelig.
Zwei Beispiele: Der Verwaltungsratspräsident der UBS, Colm Kelleher, schlug Mitte März 2024 vor, der SNB bei Bankenrettungen – analog wie in den USA und Grossbritannien – mehr Handlungsspielraum zu gewähren und, wie in der Eurozone, die FINMA der Zentralbank zu unterstellen. Genau umgekehrt, argumentierte jüngst Prof. Yves Lengwiler. Er will die SNB bei einer Bankenrettung der FINMA unterstellen, mit dem Verweis auf die nötige Liquidität seitens SNB, die von der Aufsicht (FINMA) für eine Bankenrettung nötig sei. Nur schon diese konträren Lösungswünsche zeigen, ein für alle Fälle und alle Leute passendes Reformrezept gibt es schlichtweg nicht.
Schlussfolgerungen
If it ain’t broken, don’t fix it. Also warum etwas, das in der Vergangenheit gut funktioniert hat, aufbrechen und neu ausrichten. Wer meint, es besser zu wissen und dies auch gut begründen kann, soll ganz den dafür vorgesehenen politischen Weg beschreiten, eine Volksinitiative einreichen und seine Reformen auf einem demokratisch legitimierten Weg einbringen.
So einfach geht das, zumindest in der Schweiz!
Marcus H. Bühler
Verwaltungsratspräsident
Weissenstein & Partner AG
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