In der Boomer Falle?
In der Boomer-Falle?
Durch den Wahlkampf-Rückzug des ganz offensichtlich vergreisten 81-jährigen US-Präsidenten überbieten sich aktuell die Kommentatoren mit der Frage: Wann ist alt zu alt?
In der NZZ vom 27. Juli 2024 meint Professor Mike Martin, Spezialist für Gerontopsychologie an der Universität Zürich: ‘Es gibt keinen Grund, warum Personen fast jeden Alters nicht über die gleichen Fähigkeiten wie andere verfügen sollten oder gar über höhere. ’Oder konkreter: ‘Es gibt 85-jährige die 100 Meter schneller laufen als Sie und ich! ’
Diese Aussagen des Experten kontrastieren mit dem Akronym SOS: Slower – Older - Smarter, welches kürzlich im Internet kursierte. Gut gemeint und auch so interpretiert, bekennt sich ‘SOS’ zu einer etwas gemächlicheren Gangart, geprägt mit intelligenter, weiser Erfahrung.
Bibliographisches und biologisches Alter
Ein Blick in den Pass genügt, um - in meinem Fall mit einer Prise Verwunderung und etwas Amüsement - festzustellen, dass das dort angegebene Alter auf keinen Fall mit dem eigenen Befinden, Engagement und der eigenen Energie übereinstimmen kann. Das biologisch jüngere Ich bestätigte kürzlich auch meine Ärztin!
Nein, je n’ai pas éternellement 33 ans, wie kürzlich eine Französin in der Neflix-Serie l’Agence flötete. Aber eine positive Differenz von 15 Jahren zwischen dem biologischen und bibliographischen Alter quittiere auch ich gerne.
Ab ins Stöckli?
Internationale ‘Wirtschaftsleuchttürme’ wie Warren Buffet, der 95-jährige Chefdenker-und Lenker von Berkshire Hathaway, Bernard Arnault, der 75-jährige nimmermüde CEO von Louis Vuitton Moet Hennessy, Micheal Bloomberg (82) oder Rupert Murdoch (93) zeigen, dass auch mit 70 oder 80 noch nicht Schluss sein muss.
Gerade in der Schweiz mit einer ausgezeichneten allgemeinen und speziell medizinischen Grundversorgung ist es nicht verwunderlich, dass, wer sich bewusst ausgewogen ernährt, mit etwas Sport fit hält und sich geistig fordert, auch als Ü-60 noch ‘einsetzbar’ sein sollte.
Die Realität auf dem Arbeitsmarkt
Arbeitgeber, wie auch der Gesetzgeber, betonen stetig, dass niemand wegen des Alters diskriminiert werden darf. Und es sowohl wirtschaftlich wie auch sozial wertvoll sei, im Geschäftsleben aktiv zu bleiben. Gewinner seien die Firmen, die von Wissen und Reife - von Boomern - profitieren... Die Realität sieht in den meisten Fällen anders aus.
Ab 58 ist es faktisch ausgeschlossen, für eine Führungsfunktion ausgewählt zu werden, denn das Haltbarkeitsdatum bis zur ordentlichen Pensionierung ist vermeintlich zu kurz.
Selbst Verwaltungsratsmandate, wo nebst gesundem Menschenverstand, Fachkenntnissen usw. eigentlich immer ein Erfahrungsschatz von mehreren Jahrzehnten als Pflicht vorausgesetzt wird, werden erstaunlicherweise an Persönlichkeiten ab 60 weniger vergeben.
Bewusst von Erfahrung profitieren
Eine altersbedingte geistig und körperlich auferlegte Einschränkung ‘à la Joe Biden’ zeigt nur eine Seite der ‘Alters-Gleichung.’ Wer jedoch bei einer Beurteilung automatisch eine Eingrenzung auf Grund des bibliographischen Alters vornimmt, macht einen Fehler und reduziert so die Auswahl von valablen Persönlichkeiten. Start-Ups scheinen gemerkt zu haben, dass u.a. Fehler, die bereits früher gemacht wurden, zu vermeiden sind.
Nicht verwunderlich, dass z.B. ETH Spin-Offs sich sehr oft und gerne Rat durch ihr Alumni-Netzwerk holen.
Aktiv bleiben
Bereits mit 45 wurde mir das erste Gratismuster einer Anti-Aging Crème angeboten. Nun häufen sich plötzlich die Zuschriften für eine Frühpensionsberatung und Testangebote für Hörhilfen. Zum Glück brauche ich weder das eine noch das andere.
Auch mit dem Schwyzerörgeli-Kurs als letzte Möglichkeit pro-aktiv noch etwas Neues zu lernen, warte ich noch ein paar Jahre. Bis es so weit ist, bleibe ich beruflich, unternehmerisch und mit Mandaten weiterhin aktiv und engagiert.
Marcus H. Bühler
Verwaltungsratspräsident
Weissenstein & Partner AG
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