#6 der Serie "In VWL nicht immer aufgepasst"

 

"Somebody's gotta pay»

 

 

 

Diesen schönen Satz bekam Bud Fox von seinem Manager im Film «Wall Street» von 1987 zu hören, mit einem angefügten «Ain’t gonna be me». Wer immer heute in der Schweizer Wirklichkeit eine Forderung stellt, scheint diese simple Weisheit vergessen zu haben.

 

Nehmen wir das grassierede «Beizensterben». Hierfür gibt es sicher einige strukturelle Gründe ausserhalb der reinen Wirtschaftlichkeit. Aber vielleicht erinnert man sich daran, dass nach «Corona» weitherum gefordert wurde, das Servicepersonal müssen besser bezahlt werden. Hier scheint man nun die Rechnung für einmal nicht ohne den Wirt, sondern ohne den Gast gemacht zu haben. Die schönen Lohnerhöhungen finden sich auf der Speiskarte wieder, Gäste bleiben aus oder reduzieren ihre Bestellungen, nun scheint der gesamte Markt zu schrumpfen. Eben, jemand muss es bezahlen.

 

Noch krasser der Effekt einer (sympathischen) Forderung nach höheren Löhnen für das unter Corona gebeutelte Pflegepersonal. Deutlich mit 65% Ja angenommen wurde eine teure Initiative «für eine starke Pflege». An die Tatsache, dass dies zu höheren Krankenkassenprämie führen werde, hat wohl niemand gedacht, sonst wäre die inzwischen übliche September-Prämienschock-Empörung nicht so heftig ausgefallen. Wer, wenn nicht der Leistungsbezieher, soll hier bezahlen? Auch die häusliche Pflege durch Angehörige wird in gewissen Fällen nun bezahlt, die Rechnung folgt auf dem Fuss.

 

Es gibt sehr viele weitere Beispiele: günstige Kita-Plätze, Elternurlaub, Ausbau und gleichzeitig Verbilligung des öffentlichen Verkehrs, günstiger Wohnraum. Wird die Rechnung dem Steuerzahler präsentiert, so werden die Folgen ganz vergessen, wer sich erlaubt, darauf hinzuweisen, gilt als Miesepeter, der dem Mittelstand nichts gönnt. Selbst in einem so klaren Fall wie der 13. AHV wird heute ernsthaft behauptet, der Bundesrat hätte damals nicht klar genug darauf hingewiesen, dass dies mit Mehrkosten verbunden sei. Man traut seinen Augen kaum.

 

Ich zumindest habe die Hoffnung aufgegeben, dass grundlegende volkswirtschaftliche Zusammenhänge und das Wesen der Altersvorsorge in den obligatorischen Schulen zumindest ansatzweise geschult werden. Inzwischen sieht es sogar so aus, als sei das Wissen um die einfache Milchmädchenrechnung verloren gegangen. Vielleicht trägt die Fülle der absurden Forderungen der letzten Jahre zu einem Umdenken bei.

 

Norbert Brestel

 

Mit Norbert Brestel konnte Weissenstein & Partner einen Gastautor gewinnen, der sich mit Beiträgen zu aktuellen Wirtschaftsthemen äussert. Mit der losen Serie "In VWL nicht immer aufgepasst" beschäftigt ihn insbesondere der Umstand der weitverbreiteten Unwissenheit bezüglich einfacher volkswirtschaftlicher Zusammenhänge, die weder durch die Politik noch die  Bildungsinstitutionen ausreichend adressiert werden.

 

Norbert Brestel war nach einem Betriebswirtschaftsstudium an der HSG mehr als 35 Jahre in der Finanzindustrie tätig und verantwortete zuletzt für einen internationalen Asset Manager die Verwaltung massgechneiderter Aktien- und Fixed-Income Mandate. Seit 2023 ist er selbständiger Berater für einige Stiftungen.

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