Brainfood 13.7.2018
Handelskrieg - Am 6. Juli ist der Handelskrieg zwischen Amerika und China offiziell in die erste Runde gegangen. Beide Länder belegten sich mit Strafzöllen für Waren im Wert von rund USD 34 Mrd. An den Finanzmärkten sorgt der Disput zwar seit Wochen für Unruhe und Gesprächsstoff, die Auswirkungen halten sich aber in engen Grenzen. Immerhin: ein Blick auf die Aktienmärkte der beiden Länder deutet an, dass Runde eins an Donald Trump geht. Die zweite Runde im Schlagabtausch ist vorbereitet, wobei noch unklar ist, ob es vorerst bei verbalem Getöse bleibt. Als sicher gilt: wenn die Negativspirale andauert, wird eine flächendeckende Reaktion an den Finanzmärkten nicht ausbleiben.
Immobilienpreise - von stark steigenden Immobilienpreisen in der Eurozone berichtet Eurostat. So sind die Immobilienpreise im 1. Quartal 2018 über alle Länder um 4.5% angestiegen, so stark wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr. Erhebliche Preissteigerungen verzeichnen: Irland +12.3%, Portugal +12.2%, Slowenien +13.7% oder die Slowakei +13.4%. Die EZB sieht keine Probleme , die Zinsen sollen bis Mitte 2019 auf dem gegenwärtigen Niveau (im Minusbereich wohlverstanden..) verbleiben. Aus dem Rahmen fällt übrigens die Entwicklung in Italien. Dort sinken die Immobilienpreise seit einigen Quartalen, was gewiss kein Zeichen einer starken Konjunkturentwicklung ist.
Berat Albayrak - ist ein Name, den man sich in Europa merken sollte. Gerade erst wurde Erdogans Schwiegersohn das Amt des Finanzministers übergeben. Die Financial Times zeichnet ein wenig schmeichelhaftes Bild des Kronprinzen. Die Finanzmärkte haben ihre eigene Meinung zu den Verhältnissen in der Türkei gemacht. Eine unschöne Entwicklung, der nichts weiteres beizufügen ist.
Nach oben - geht es weiterhin mit dem Ölpreis. Heizöl kostet in der Schweiz rund 30% mehr als im Vorjahr. Diese Entwicklung wirkt sich insbesondere auf die Konsumentenpreise aus, die im Juni um 1.1% auf Jahresbasis gestiegen sind. Damit befindet sich die Teuerung im Zielband der SNB zwischen 0 und 2%. Eine Korrektur der übermässig lockeren Geldpolitik ist deshalb nicht absehbar, obwohl das Niveau der finanziellen Repression mittlerweile maximale Werte erreicht hat.
Gratis - Ein neues Geschäftsmodell für den Handel mit Aktien schwappt aus Amerika nach Europa und bald in die Schweiz über. Das Fintech Startup Robinhood ist in Amerika unter Millennials und Venture Capital Investoren ein Begriff. Das Unternehmen offeriert gratis Aktienhandel und hat bereits vier Millionen Kunden. Ob unter dem Strich etwas verdient wird bleibt unklar, aber den Kapitalgebern spielt das keine Rolle, Hauptsache die Fantasie lebt. Robinhood wurde anlässlich der jüngsten Finanzierungsrunde mit USD 5.6 Mrd. bewertet.
In Europa spricht man von einem anderen Disruptor, und zwar Revolut. Dieser Startup machte zuerst mit einer Gratiskreditkarte auf sich aufmerksam und expandiert jetzt ebenfalls in den Gratishandel von Aktien. Angeblich soll diese Dienstleistung bis Ende Jahr auch in der Schweiz verfügbar sein. Tatsächlich haben in der Schweiz die gängigen Tarife grossen Spielraum nach unten. Die meisten Banken operieren immer noch mit Courtage Modellen aus dem letzten Jahrhundert, hier als Beispiel die ZKB. Und auch im Online Handel sind die Preisunterschiede gewaltig.
Drei Dinge gilt es festzuhalten: 1.) der Anlageerfolg definiert sich nicht durch den Preis einer Börsentransaktion, 2.) die alte Börsenweisheit "Hin und Her macht Taschen leer" hat auch im digitalen Zeitalter Gültigkeit und 3.) auch wenn es am Ende des Tages für den Kunden nicht ganz "gratis" sein wird, für die alten Geschäftsmodelle der traditionellen Banken sieht es düster aus.
Finanzmarktaufsicht - Die Finma sorgt für kontroversen Gesprächsstoff. Zum einen haben gerade erst die Kantonalbanken schweres Geschütz gegen die Aufsichtsbehörde aufgefahren. Angeprangert wird, dass die Behörde mit ihren Rundschreiben quasi Recht setzt, was dazu führt, dass die Finanzmarktregulierung in weiten Teilen ausserhalb der Bundesgesetztgebung stattfindet. Gegenwind gibt es für die Finma auch seitens der Gerichte. Gleich zweimal zog die Behörde den Kürzeren, weil sie ungerechtfertigterweise Berufsverbote gegen Bankmitarbeiter verhängte ( hier und hier). Umfassende Kritik an der Behörde ertönt auch seitens der Lehre. Prof. Peter Kunz von der Universität Bern bemängelt, dass "...ein Teil der Aufsicht informell stattfindet, durch Telefonate oder Briefe, mit behördlichen "Wünschen" oder "Empfehlungen", die faktisch keinen Widerspruch zulassen. Diese Behördenmacht des Faktischen ist rechtsstaatlich unhaltbar..."
Wohlwollend wird die regulatorische Begleitung der Finma andererseits in der Fintech, rsp. Kryptoszene beurteilt, was auch in Einklang mit den Wünschen der Politik steht, diesen Teil des Finanzplatzes zu fördern.
Fine Food - Nicht ganz neu ist die Story über eine anlaufende Revolution im Nahrungsmittelbereich. Insekten und Würmer sind auf dem Vormarsch und wir zweifeln keinen Moment, dass hier ein echter Trend entsteht. Bloomberg hat interessante Fakten zusammengetragen, welche keine Fragen zur ökologischen Sinnhaftigkeit offen lassen. Die gute Nachricht: Forscher gehen davon aus, dass in wenigen Jahren Insekten zu Sushi Qualität verarbeitet werden können. Zwischenzeitlich noch der Hinweis, was in der Schweiz läuft: Die Firma Essento scheint der Marktleader zu sein, während in den Strassen von Zürich die ersten Insektenburger gesichtet wurden. Für die Gaumenfreuden des Feinschmeckers ist ein anderes Projekt vielversprechender, und zwar die Produktion von Shrimp in Rheinfelden, hier zu lesen.
Wenig Tiefgang - In einer unserer früheren Kolumnen haben wir von einem interessanten Medienprojekt, der "Republik" berichtet. Tatsächlich überraschte das Online Magazin zwischenzeitlich z.B. mit einer aufsehenerregenden Reportage um die Mauscheleien in der Bündner Baubranche.
Weniger gelungen ist ein aktueller Artikel zum Thema Bankgeheimnis . Es wird von steuerhinterziehenden Fussballspielern, Studien eines amerikanischen Professors und Offshore Steuerparadiesen berichtet und dazu der Bogen zum Finanzplatz Schweiz gespannt.
Keine Frage, der Weg zur Steuertransparenz ist lang und beschwerlich, aber selbst für Inselparadiese hat der Wind gedreht und die Schweiz ist mit der Umsetzung des AIA an vorderster Front dabei, worüber bei Brainfood schon berichtet wurde. Mit anderen Worten: Für das Aufwärmen von alten Klischees gibt es keinen Applaus.
Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.
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