Brainfood 23.3.2018

Kurz notiert

 

- A Small World - Wir sagen lieber: what a strange world! Diese Woche wurden die Aktien der Social Media Plattform A Small World an der Schweizer Börse gelistet. Die Aktien des Unternehmens handeln zur Zeit bei 15 Franken, was einer Börsenkapitalisierung von CHF 125 Mio entspricht. Das Merkwürdige daran: ASWN erwirtschaftete im Jahr 2017 bei einem Umsatz von 5 Mio Franken (!) einen Verlust von 2.6 Mio Franken. Wie ist so etwas möglich, wo doch die Finanzmarkttheorie von effizienten Märkten ausgeht? Die Antwort: ASWN wurde in den Swiss Performance Index aufgenommen und so sind indexorientierte Anleger (z.B. Pensionskassen) und Exchange Traded Funds gezwungen, in diese kleine Börsenperle zu investieren. 

 

- Nachdem Pierin Vincenz mittlerweile 3 Wochen in U-Haft sitzt, wurde nun Patrik Gisel von der Staatsanwaltschaft zu einer Befragung eingeladen. Erstaunlich ist das nicht, hingegen verwundert, dass die Raiffeisen Kommunikationsabteilung in ihrer Mitteilung erwähnen muss, dass gegen ihren Chef kein Strafverfahren eröffnet worden ist. 

 

- Mit gröberen Problemen ist die Deutsche Bank beschäftigt. Der Aktienkurs ist  weiter auf Talfahrt (- 25% seit Anfang Jahr), nachdem das Unternehmen eine Gewinnwarnung sowie eine enttäuschende Nachfrage für den Börsengang ihrer Asset Management Tochter DWS vermelden musste. Trotzdem: Obwohl die Bank seit drei Jahren Verluste schreibt,  vervierfachten sich die Boni für das Geschäftsjahr 2017 auf 2.2 Mrd. EUR wie die FT berichtet.

 

- UBER war diese Woche wieder einmal für eine traurige Schlagzeile gut. Bei einem Unfall mit einem autonom fahrenden Fahrzeug des Unternehmens kam eine Fussgängerin ums Leben. In der Tat sind heute nur eine geringe Anzahl führerlose Autos zu Testzwecken auf den Strassen unterwegs, und das ist gut so. Aufgefallen ist uns dieser Artikel, ebenfalls von Forbes, erschienen ziemlich genau vor einem Jahr. Darin wird prognostiziert, dass bis im Jahr 2020 basierend auf "konservativen" Schätzungen 10 Millionen autonome Fahrzeug weltweit unterwegs sein werden. Der Reality Check sieht ein wenig anders aus, was wohl noch für manchen Bereich der neuen digitalen Welt Gültigkeit hat.

 

- Broadcom/Qualcomm: nachdem wir mehrfach über diese grösste geplante Firmenfusion berichtet haben, wollen wir das klägliche Ende der Geschichte nicht unerwähnt lassen. Kein geringerer als Donald Trump und seine Administration verhinderten die Transaktion aufgrund von Sicherheitsbedenken. 

Lagebeurteilung - In ihrem vierteljährlichen Bericht bestätigt die SNB, dass sie trotz guter Konjunkturdaten (BIP + 2.4% im Q4 2017) an ihrer expansiven Geldpolitik (sprich Negativzinsen) festhält. Es ist erstaunlich, dass hierzulande diese Politik auf wenig bis keine Resonanz, rsp. Kritik stösst. In der NZZ wird zwar darüber räsoniert, dass die Haltung der SNB zunehmend im Widerspruch zur gesamtwirtschaftlichen Erholung steht.

Man darf es ruhig dezidierter formulieren: die SNB hat im vergangenen Jahr rund CHF 2 Mrd.  an Negativzinsen einkassiert, dies zu Lasten der Finanzinstitute, deren Kunden und der Vorsorgewerke. Der Immobilienmarkt wird weiterhin auf hohem Niveau künstlich beatmet und die Nationalbank hat de facto aufgehört eine eigenständige Geldpolitik zu betreiben, weil man am Gängelband der EZB hängt. Diese wiederum macht aus ganz anderen Gründen keine Anstalten , ihrerseits eine Normalisierung in die Wege zu leiten. Den autonomen Nachvollzug der europäischen Geldpolitik leistet sich die SNB mit einer Bilanzsumme von 812 Mrd. Franken, inkl. den damit einhergehenden Bilanzrisiken. Vielleicht fragen Sie sich, warum das so funktioniert. Die Antwort dazu ist einfacher als man denkt und kann hier nachgelesen werden.

Streaming - In Kürze ist es soweit, eine neue Zeitgeist Aktie wird an der Börse zu kaufen sein. Spotify hat die Details für den Börsengang Anfang April bekanntgegeben. Interessant dabei ist der unkonventionelle Weg, den das Unternehmen für den Börsengang gewählt hat. Die Investmentbanken werden aussen vor gelassen. Der Streamingdienst ist eine spannende Geschichte. Das Unternehmen verfügt bereits über 70 Millionen zahlende Kunden und generierte im Jahr 2017 mit einem Umsatz von EUR 4.1 Mrd. einen Verlust von EUR 378 Mio. Ein Zyniker würde fragen: Wieviele Kunden braucht Spotify denn, um  Geld zu verdienen? Aber, wie bei Zeitgeist Aktien üblich, gehen die Meinungen weit auseinander. So sehen die einen die Zukunft im Stil von Netflix, d.h. Spotify werde als Label quasi Content produzieren. Andere sehen beschränktes Potential, weil die Kosten für Musikrechte stetig steigen und Subscriber Fees nur beschränkt erhöht werden können.

Wie dem auch sei, für Musikfreunde ist Spotify eine gelungene Sache. In der Schweiz z.B. kostet der Premium Dienst 20 Franken im Monat und damit kann eine ganze Familie unlimitiert auf verschiedenen Geräten Musik hören. Dabei stehen 35 Millionen (!?) Songs zur Verfügung.

Facebook - Das Unternehmen ist unter Druck. Der Skandal um den Missbrauch von Nutzerdaten ruft den Regulator auf den Plan. Inwiefern diese Angelegenheit finanzielle Konsequenzen für Facebook haben wird, ist schwer abzuschätzen und ist für sich genommen nicht relevant. Der Aktienkurs verzeichnete erst Anfang Februar ein Rekordhoch von USD 193 und ist mittlerweile auf USD 170 gefallen, was einer moderaten Korrektur entspricht.

 

Bedeutsamer ist, dass die Stimmung gegenüber Informations- und Datenmonopolen wie Facebook oder Google im Allgemeinen gedreht hat. Wir haben bereits unter dem Stichwort Peak Social Media auf dieses Phänomen hingewiesen. Warum muss uns das Schicksal dieser Firmen interessieren? Die Zeitgeist Aktien haben in der jüngeren Vergangenheit als  Motor der Börsenhausse , insbesondere am amerikanischen Markt, fungiert. Die Bewertungen von Google, Facebook, Netflix & Co. haben mittlerweile astronomische Dimensionen angenommen, so dass man schon fast von Systemrelevanz für die Märkte sprechen kann. Am Beispiel von Facebook lässt sich das Phänomen wie folgt zusammenfassen: Zum aktuellen Börsenkurs ist das Unternehmen USD 487 Mrd. wert. Das ist soviel wie diese Handvoll solider Schweizer Unternehmen zusammen: ABB, LafargeHolcim, Geberit, SwissRe, Swatch, Sika, Zurich, Credit Suisse, Givaudan, Adecco, Swisscom, SGS, Lonza, Julius Bär, Richemont und UBS.

 

Falls Sie Zeitgeist Aktien halten:  Überlegen Sie sich, Facebook oder andere dieser überbewerteten Tech Giganten zu verkaufen und den Erlös in einen Korb der genannten Werte zu investieren. Mit einem ETF auf einen Schweizer Aktienindex geht das ganz einfach.

 

Da wir bereits über die SNB gesprochen haben, hier noch folgendes: per Ende 2017 war die Nationalbank im Besitz von 8.9 Mio Facebook Aktien im Wert von 1.5 Mrd. Dollar.

Vladimir Putin - Seit dem Jahr 2000 steuert er sein Land. Es macht den Eindruck, als hätte Putin die perfekte Autokratie errichtet. Der Schein trügt jedoch, wie die NZZ zum Wahlausgang kommentiert. Und tatsächlich, die Mängelliste Putins ist lang, Russland hat unter seiner Führung erfolgreich eine Strategie der hybriden Konfliktführung implementiert. Von grünen Männchen auf der Krim, über Trolle und Hacker im Internet, Cyberangriffe, Unterstützung von Diktatoren (Asad) bis hin zu einer erneuten nuklearen Aufrüstung ist so ziemlich alles mit dabei, das dazu dient, die bestehende Ordnung und internationales Recht zu sabotieren. Kurzum, obwohl sich alle Welt über Donald Trump aufregt, sitzt die wahre Bedrohung für die internationale Sicherheit im Kreml.

Mit einem Blick auf die Finanzmärkte fallen zwei Dinge auf: Für die Wirtschaft Russlands spielt die Politik Putins keine Rolle. Der wichtigste Treiber sind die Rohstoffpreise, wobei diese Aussage noch spezifischer auf den Ölpreis reduziert werden kann, wie dieser Chart zeigt. Zweitens: Just in der Woche, als in Grossbritannien Furor über den angeblich russisch inspirierten Giftanschlag auf einen ex Agenten (James Bond lässt grüssen) tobt, konnte Russland ungestört einen Eurobond im Umfang von USD 4 Mrd. auflegen, wobei Zeichnungen über 7.5 Mrd. Dollar eingingen. Es scheint also, dass es mit der Empörung nicht weit her ist, wenn es ums Geschäftemachen geht.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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