Brainfood 8.12.2017

EZB - Volatilität - Jeff Bezos und Weiteres, angereichert mit einem Schuss Whisky

 

Der Adventsmonat ist die Zeit von Rück- und Ausblick, insbesondere in der Finanzbranche kommt der Moment der "Abrechnung". Die Kunden überprüfen die erzielten Anlageresultate, die Berater versuchen diese zu erklären und natürlich werden auch die Erwartungen für das folgende Jahr abgesteckt, denn am 1.1.2018 wird der Performance Zähler wieder auf Null gestellt.

Prognosen geben interessanten Lesestoff, sind aber selten ergiebig, denn was für die Ökonomenzunft gilt, stimmt für die Finanzpropheten umso mehr: Prognosen sind meistens falsch, denn es liegt in der Natur der Sache, dass bestehende Trends als Erwartungen einfach fortgeschrieben werden und im Positiven wie im Negativen prozyklisch sind. Der Ökonom Tomas Sedlacek erläutert im aktuellen NZZ Folio diesen Sachverhalt im Detail.

Als "alte Hasen" haben wir genügend Erfahrung mit eigenen und fremden Prognosen, um darauf verzichten zu können. Hilfreich ist es allerdings, wenn man sich einen Überblick durch Fakten schafft und diese einordnet. Ohne Perspektive ist das Navigieren unmöglich. Uns sind die folgenden Charts aufgefallen, die Schlussfolgerungen daraus sind teilweise wenig erbaulich.

2017 war ein guter Jahrgang für die Börsen. Der Schweizer Aktienmarkt hat z.B. 13% zugelegt, der DAX 23% oder die Österreichische Börse als Starperformer in Europa sogar mit 44%. Die Kapitalisierung der globalen Aktienmärkte ist mittlerweile auf beinahe 100 Billionen USD gestiegen, wobei sich der Wertzuwachs im Jahresverlauf beschleunigt hat und (zu) steil geworden ist.

Volatilität - Eines der Lieblingsthemen der Marktbeobachter ist die völlige Absenz von nennenswerten Kursschwankungen an den Aktienmärkten. Mittlerweile ist die gemessene Volatilität von Aktien erstmals unter jene von Obligationen gefallen. Mit anderen Worten und etwas überspitzt formuliert: Obligationen sind riskanter als Aktien. Wie Phasen von tiefen Volatilitäten einzuschätzen sind, erläutert dieser Artikel

Die wesentlichen Treiber der Hausse an den Aktienbörsen, rsp. den Zuständen an den Obligationenmärkten sind die Zentralbanken. Mit der unendlich fliessenden Liquidität, rsp. Assetkäufen, treiben sie die Preise von Vermögenswerten. Während das FED den langsamen Rückbau der Bilanzsumme anstrebt, geht die Bilanzausweitung der EZB ungehemmt weiter. Ein Zustand, den man für 2018 zuversichtlich prognostizieren kann, denn er ist vom Chef persönlich avisiert worden. Eine  "Bestmarke" in eigener Sache verzeichnet die Schweizerische Nationalbank. Sie darf den Weltrekord des Verhältnisses von Bilanzsumme zu Bruttosozialprodukt für sich beanspruchen.

Eindrücklich ist die Marktmacht der EZB bei den Staatsanleihen der Eurozone. Die monatlichen Käufe im Umfang von EUR 60 Mrd. haben die Renditen der Govt. Bonds vieler Länder unter den offiziellen Einlagensatz der EZB gedrückt. Wir erlauben uns an dieser Stelle keine Prognose, aber eine Feststellung: Europäische Staatsanleihen, inkl. Schweiz, bleiben bis auf Weiteres eine "no go area".

Es war einmal - eine Anlageklasse mit der Bezeichnung "High Yield"...

Und auch hier ist der lange Arm der EZB unverkennbar. Zwar kauft die Zentralbank keine Zinspapiere von BB Schuldnern, aber renditesuchende Investoren sind so verzweifelt, dass sie solche Wertpapiere praktisch ohne Rendite erwerben.  Hier ein paar Beispiele von Bonds, die man nicht erwerben sollte.

Die Aktienmärkte haben den Investoren, wie bereits erwähnt, ein reiches Jahr beschert. Besonders gut Lachen hat der Gründer von Amazon. Dank dem senkrechten Anstieg seines Unternehmens an der Börse ist sein Vermögen auf 100 Mrd. USD gestiegen. An dieser stelle soll nicht der Neidkultur Vorschub geleistet werden, denn immerhin hat der Mann Amazon zu einer wahren Macht aufgebaut und zudem sind solche Betrachtungen auch temporärer Natur. Trotzdem wollen wir versuchen, die Dimension dieser Zahl, 100 Mrd. USD, zu verstehen. Stellen Sie sich vor, Jeff Bezos könnte statt seiner 16% Beteiligung an Amazon folgende Schweizer Firmen zusammen zu 100% besitzen: Credit Suisse (CHF 43.3 Mrd.), Sika (CHF 18.7 Mrd.), Lindt&Sprüngli (CHF 15.5 Mrd.) und Bâloise (CHF 7.3 Mrd.).

Das Anlagejahr 2017 hat einige Stilblüten zu Tage gefördert. Der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal Bitcoin die Referenz erwiesen. Interessantes trägt sich seit einiger Zeit im Markt für Classic Cars zu, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen. Wie der Business Insider berichtet, fallen die Preise für Sammlerstücke nunmehr seit über zwei Jahren, stetig und gemächlich. Während sich der zitierte Hagerty Market Index auf nordamerikanische Fahrzeuge bezieht, scheint auch in Europa der Rückwärtsgang bei den Preisen eingeschaltet worden zu sein, insbesondere bei deutschen Autos.

Kryptowährungen und Sammlerstücke, wie wir soeben bei Classic Cars gesehen haben, mögen sich eines Tages für ihre Investoren als schwer verdaulich erweisen. Verdauungsprobleme haben zumindest Whisky Investoren auch bei einem allfälligen Preisrückgang nicht, denn dem Genuss eines schönen Single Malt steht in der Not nichts entgegen. Der Whisky Blue Chip Index, Rare Whisky Icon 100, kletterte in diesem Jahr um 19%, rsp. seit 2009 um 18% jährlich. Mit anderen Worten: die globale Liquiditätswelle flutet auch diese, in der Tat liquide Anlageklasse. Trotz dem schönen, regelmässigen Wertzuwachs von Whisky Raritäten ist dieser Markt nicht ganz sorgenfrei.

Für Schlagzeilen sorgte der Fall des chinesischen Gastes, der kürzlich im Hotel Waldhaus zu St. Moritz eine nicht ganz günstige Fälschung vorgesetzt bekam. Das Problem der Fake Whiskys ist erst im Entstehen begriffen und wird mit der Attraktivität des Marktes zunehmen.

Mit einem der Unwörter des Jahres 2017 beschliessen wir diesen Newsletter. Fake News in allen Variationen haben uns durchs Jahr begleitet und weil der  Cheerleader  der Bewegung u.a. eine gewisse Affinität zum Börsengeschehen hat, haben wir eine passende Grafik dazu erstellt. Den Top Spot auf Twitter hält übrigens Katy Perry mit einer Gefolgschaft von 107 Mio., was die Bedeutung des Mediums wieder relativiert. Und last but not least,  Twitter hat nur mässig von der gratis Publizität profitiert und war bis anhin kein gewinnbringendes Investment.

 

 

Comment

Back to Overview