Der Blick vom Weissenstein
Episode 9 unserer Corona Serie lässt zwei unterschiedliche Repräsentanten bekannter Schweizer #Marken zu Wort kommen: Heinrich Villiger, knapp 90jähriges Urgestein unternehmerischen Schaffens und Patron des gleichnamigen Tabakunternehmens sowie David Jaeggi, Vertreter der Millennial Generation und Business Developer bei Rivella, berichten über ihre persönlichen Erfahrungen in den letzten Wochen.
Lieber Heinrich, vielen Dank, dass Du Dich für dieses Gespräch zur Verfügung stellst.
Wie geht es Dir?
Danke, es geht mir den Umständen entsprechend gut. Seit Freitag, 13. März (!) dieses Jahres, befinde ich mich altersbedingt daheim in Quarantäne. Im Alter von knapp 90 Jahren gehöre ich zu der am meisten gefährdeten Risikogruppe, obwohl -nach neusten Studien in Frankreich und in USA - bei den von diesem Virus betroffenen Menschen die Nichtraucher überwiegen. Das hört die WHO natürlich nicht gerne. Ich rauche also täglich meine Zigarren weiter.
Wie hat sich Dein Alltag verändert?
Ich nehme es gelassen. Ich habe meine tägliche Arbeit in mein neues Home Office verlagert, obwohl ich kein Befürworter von Heimarbeit bin. Der Begriff "Heimarbeit" ist ja verpönt, Home Office tönt natürlich besser. Zu Grossvaters Zeiten liessen wir unsere Stumpen noch in Heimarbeit rollen. Tempi passati.
Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt? Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?
Das ist das grösste Problem, aber es gibt -zumindest jetzt im Sommer und teilweise- Ersatzlösungen. Besucher kommen zu mir nach Hause. Wir sitzen mit vier Metern Abstand auf der Gartenterrasse. Und hier führen wir auch geschäftliche Besprechungen. Dazu kommt der tägliche Mail-Austausch. Von Videokonferenzen halte ich nicht viel, vor allem mit einer Vielzahl von Teilnehmern. Kommunikation, bei der alle Teilnehmer zu Worte kommen, ist schwierig.
Das häusliche Umfeld, wie vorstehend erwähnt, ist nicht vergleichbar mit der Arbeit vor Ort im Unternehmen. Eine Teamarbeit ist nicht möglich. Man kann nicht schnell den einen oder anderen Mitarbeiter zum Gedankenaustausch dazu holen. Ich würde ja hin und wieder gerne schnell ins Büro fahren, aber meine Frau ist da konsequent. Sie hat mir bisher, und auch zu recht, jeden "Ausbrechversuch" verhindert. Wie heisst es so schön: "Hör auf Deine Frau und fahr vorsichtig!"
Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona?
Geschäftlich sind wir glücklicherweise nicht betroffen. Die Handelskanäle sind weitgehend offen. Tabakwaren gehören wie Lebensmittel zum täglichen Bedarf. Und die Raucher rauchen weiter. Dazu kommt, dass der Staat (und dies in allen Ländern) auf die Tabaksteuer nicht verzichten kann. In Deutschland zum Beispiel bringt die Tabaksteuer allein auf Zigaretten monatlich eine Milliarde Euro ein. Aber der Schaden der Weltwirtschaft ist immens. Es wird Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft wieder erholt hat. Daran wird sich auch nicht viel ändern, wenn die Leute in absehbarer Zeit wieder in die Ferien reisen dürfen.
Gibt es für Dich auch positive Aspekte der Krise?
Ja, durchaus. Die Menschen werden sich wieder bewusst, dass unser Wohlstand nicht selbstverständlich ist. Meine Frau und ich leben allein, man kommt sich wieder näher, es ist beinahe wie ein zweiter Honeymoon. Und kleine Unstimmigkeiten haben keine Bedeutung mehr.
Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?
Für die Menschen in den unterentwickelten Ländern gibt es keine positiven Aspekte, wie in Afrika, in Asien usw. Denen steht die grosse Katastrophe erst noch bevor. Es ist die Aufgabe der Industrienationen, diesen Menschen zu helfen.
Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?
Da würde ich ganz einfach sagen: "Kopf hoch und durch."
Zum Autor:
Heinrich Villiger, Jg. 1930, trat 1950 ins Familienunternehmen ein, absolvierte in den Folgejahren mehrere Ausbildungen im Bereich Tabakanbau und -verarbeitung, u.a. in Brasilien, Kuba und Puerto Rico. 1954 wurde er Teilhaber der Villiger-Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland. Ab 1989, nach der Wahl von Bruder Kaspar Villiger in den Bundesrat, alleinige Inhaberschaft und operative Führung aller Villiger-Unternehmen.
Lieber David, vielen Dank, dass Du Dich für dieses Gespräch zur Verfügung stellst.
Wie geht es Dir?
Mir geht es trotz Corona super. Ich werde in Kürze zum ersten Mal Vater und freue mich riesig aufs neue Familienleben.
Wie hat sich Dein Alltag verändert?
Wir sind bei Rivella unternehmensweit in Kurzarbeit und arbeiten alle, sofern möglich, im Home Office. Von zuhause aus zu arbeiten fiel mir persönlich nicht schwer, da ich mir sowieso gewohnt bin, mein Office immer mit dabei zu haben und von verschiedenen Orten aus zu arbeiten. Einzig den direkten, sozialen Austausch vermisse ich im Alltag zunehmend. Videokonferenzen können vieles, aber nicht alles kompensieren.
In der täglichen Arbeit verschieben sich die inhaltlichen Schwerpunkte zunehmend. Aufgrund der Pandemie ändert sich die Realität zeitweise täglich, entsprechend fahren wir nur noch auf Sicht und versuchen, die Chancen "mit und nach Corona" bestmöglich zu nutzen.
Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt? Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?
Privat habe ich während des Lockdowns eine spannende Beobachtung in meinem weiteren Freundeskreis gemacht. Da bei vielen eine Entschleunigung des Alltags stattgefunden hat, hatten viele mehr Zeit und suchten privat vermehrt den Kontakt. So habe ich in den letzten Wochen mit meinem weiteren Freundeskreis mehr Austausch gehabt als sonst. Hier waren also ein "physical distancing" und "social closeness" zu beobachten. Denn echten sozialen Kontakt mit dem engsten Familien- und Freundeskreis haben jedoch alle vermisst und dieser wurde auch als Erstes wieder gesucht.
Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona?
Dies kommt einem Blick in die Kristallkugel gleich und ist meines Erachtens abhängig von der Länge der Einschränkungen - je länger diese sind, desto nachhaltiger die Konsequenzen. Ich hoffe, dass Gandhi mit seinem Zitat "Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt", für einmal falsch liegt und wir diese Pandemie als Weckruf und Chance sehen.
Gibt es für Dich auch positive Aspekt der Krise?
Absolut. Durch die sich ständig ändernden, neuen Realitäten sind alle zur Agilität gezwungen und müssen raus aus ihrer Komfortzone. Oft sind dies Themen, welche schon lange im Alltag hintanstehen mussten oder für unmöglich erklärt wurden. Nun werden Projekte innerhalb kürzester Zeit umgesetzt: Beispielsweise werden digitale Kooperations-Tools in Schulen und Unternehmen ausgerollt, Projekte mit neuen Geschäftsmodellen werden umgesetzt oder die Work-Life-Balance neu austariert.
Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?
Nicht alles ist perfekt, aber funktioniert doch erstaunlich gut.
Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?
Hier packe ich einen Klassiker aus: "If life gives you lemons, make lemonade."
Zum Autor:
David Jaeggi ist Senior Business Developer bei der Rivella AG und Mitglied ser Geschäftsleitung bei deren Tochterfirma Fluid Focus AG.
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