Wenn der Coach einen Coach braucht!

 

Eine Kurzgeschichte

 

Klar, jeder sucht neue Kunden. Da bildet die Coaching-Branche keine Ausnahme.Doch wenn sich ein Coach via Linkedin-Anfrage anbietet, empfehle ich sorgfältig abzuwägen, worauf man sich einlässt.

 

Coach Walz als Proxy

 

Tim Walz, der demokratische Kandidat, der auf dem Sozius von Kamala Harris Richtung Washington unterwegs ist, wird als Coach Walz angepriesen. «Coach» als Inszenierungsbegriff für einen bodenständigen, kompetenten Anführer. Die Botschaft könnte eindeutiger nicht sein: Coach Walz könnt ihr vertrauen. Seht her Leute, Coach Walz zeigt euch auf, wie ihr noch besser werdet. Als Coach - gemeint ist auch als Mensch - verkörpert er Führungsstärke, hilft den Schwächeren im Team zu bleiben und macht alle zu Siegern und zu Helden.

 

Die Anbahnung

 

Wenn eine Verlinkungs-Anfrage von Unbekannten auf Linkedin eintrifft, wäre die beste Reaktion: subito damit in den e-Abfallkübel. Auf diesem e-Friedhof ruhen bereits Bittsteller wie: «Ich verbessere Dein Netzwerk» und «Wer hat Deine super Webseite gebaut?», die immer öfters aus aller Welt eintreffen.

 

Doch halt! Ein Blick auf die Vernetzung des anfragenden Coaches zeigt: Er kennt einige Persönlichkeiten, die ich schätze und deshalb zu meinem Netzwerk zählen darf. Somit: Ja - Click und wir sind verbunden.

 

Die Anwerbung

 

Alsbald folgte die erste Lobhudelei, was für eine tolle Person ich doch sei, verbunden mit einem Dank für die Vernetzung. Ich ahnte Schlimmes... Eine Woche später erreichte mich folgende Nachricht:

«Hallo Marcus H., ich bin beeindruckt über Deine mehr als 500 Linkedin-Kontakte und Deine Funktion als exekutiver Verwaltungsratspräsident und wollte fragen, ob Du ein Coaching brauchst?» Ich hatte es fast geahnt, und ärgerte mich innerlich, (erneut) auf einen Anbahnungstrick reingefallen zu sein. Meine Antwort, klar und final, kam postwendend: «Danke, aber nein danke!»

 

Ein Seminar?

 

Wer dachte, jetzt ist Ruhe, irrt. Auf meinem eMail werde ich «vom Coach» angefragt, an einem 3-tägigen online Seminar für Führungskräfte u.a. für Projektmanager teilzunehmen.

Mehr Wert, mehr Geld wird angeboten. Und wer schnell zusagt, kriegt noch einen Early-Bird Buchungsrabatt. Das Angebot ist in etwa so schräg, wie die Aufforderung an die Ländlerfründa einen Kurs in Kantonesisch zu buchen. Ein Interesse ist möglich, aber wenig wahrscheinlich.

Übrigens: 3-Tage on-line bedeuten konkret: 3x3 Stunden Video-Kurs am Abend!

 

Ködern ohne Kenntnis

 

Eigentlich hatte ich bis vor kurzem meistens ein positives Image von einem Coach. Aber auf Grund solcher Anbahnungen oder besser Anmassungen zeigt sich ein ganz anderes Bild.

Mit einer bekannten Expertin im Coaching habe ich mich dazu ausgetauscht.

Ihre Aussage dazu war folgende:

Es gibt Coaches, die schlichtweg schlecht sind, und das aus mehreren Gründen. Oftmals fehlt es an echter fachlicher Kompetenz und fundierter Ausbildung. Viele selbsternannte Coaches verkaufen somit oberflächliche Motivationssprüche statt substanzielle, langfristige Strategien. Sie haben im besten Fall Charisma, aber keine oder ganz wenige Erfolge vorzuweisen. Ein weiterer Punkt ist das Fehlen von Empathie sowie echter Menschenkenntnis; sie verstehen die individuellen Bedürfnisse ihrer Klienten nicht oder nur teilweise und bieten standardisierte Lösungen an, die selten passen. Solche Coaches schaden mehr, als sie nützen, indem sie falsche Hoffnungen wecken. Zeit und Geld sind rasch weg.

Diesem Urteil ist nichts anzufügen.

Fazit

Das schon fast penetrante, nicht zielgerichtete Anbieten von Dienstleistungen ist nicht nur ärgerlich, sondern zeigt bzw. bestätigt eine Ahnungslosigkeit bzw. eine Verzweiflung, perfekt umschrieben mit dem französischen Substantiv:  «désespoir».

Die Chance sich zu beweisen, hat dieser «Coach» auf jeden Fall verspielt. Den Kontakt habe ich gelöscht. Und gelernt, dass obwohl das Ablehnen von Anfragen auf SOCIAL Media nicht immer als sehr chic empfunden wird, meine Selektion künftig viel kritischer ausfallen muss.

Tja, mit dem Risiko halt ein bisschen weniger SOCIAL zu sein!

 

 

Marcus H. Bühler

Verwaltungsratspräsident

Weissenstein & Partner AG

 

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